Plastikmüll in der entlegensten Ecke: Wer räumt den Planeten auf? | Megatrends

2021-12-14 17:54:44 By : Mr. JIAN WEN

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Plastik verschmutzt mittlerweile selbst die entlegensten Ecken der Welt. Die Frage ist nicht nur, wie man den Abfall der Zivilisation richtig entsorgt.

Der Opernplatz ist Frankfurts elegantester Platz. Aber nachts und morgens am Wochenende im Corona-Sommer ist es alles andere als repräsentativ: Hunderte Flaschen liegen herum, Pizzakartons stapeln sich neben überfüllten Mülleimern. Der Boden ist übersät mit Glasscherben und an mehreren Stellen riecht es nach Urin. Umweltbeauftragte Rosemarie Heilig von den Grünen ist sauer: "Wir wollen, dass die Jugendlichen feiern, und wenn sie nirgendwo anders hingehen, sind wir gerne auf der Straße", sagt sie. „Aber bitte, ohne diese Müllberge zurückzulassen.“ Und Frankfurt ist kein Einzelfall. In Berlin, München und anderswo kämpfen die Verantwortlichen mit dem gleichen Problem.

Lesen Sie hier, wie Frankfurts Oberbürgermeister Feldmann das Müllproblem angehen möchte.

Den Müll bekämpfen? Aus für Ex und Hopp? Willst du mich verarschen? Meinst du das ernst, wenn du das sagst. Corona bewirkt das Gegenteil. Seit Ausbruch der Pandemie hat sich der Müll in den Städten auf Plätzen und in Parks, in denen sich Menschen wegen geschlossener Clubs treffen, noch höher angehäuft als sonst. Coffee-to-go-Becher, Lebensmittelverpackungen, Tüten, Glas- und Plastikflaschen wohin das Auge blickt. Seit dem Shutdown hat sich der Trend zu explosiven Verpackungen wieder beschleunigt. Für viele Restaurant- und Imbissbesitzer war das Essen zum Mitnehmen die einzige Chance, überhaupt Umsatz zu generieren und nicht in die Insolvenz zu stürzen. Und die Kunden machten gerne mit. Umweltprobleme spielten noch weniger eine Rolle als zuvor.

Corona hat dem Weltklima zumindest ein wenig geholfen. Die CO2-Emissionen sanken erstmals seit der Weltwirtschaftskrise 2008/2009, voraussichtlich im Jahr 2020 insgesamt um rund fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr – eine der wenigen positiven Folgen der Krise. Aber beim zweiten großen Umweltproblem, dem Müll, war das Gegenteil der Fall. Nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch zu Hause. Seit März landen nach Angaben des Kölner Recyclingunternehmens „Der Grüne Punkt“ rund zehn Prozent mehr Verpackungsmüll in der Gelben Tonne der Privathaushalte. Gleichzeitig fiel im gewerblichen Bereich weniger Abfall an. Unter dem Strich nahm jedoch der Plastikmüll insgesamt zu.

Falsche Welt. Immerhin hat die Politik dem Ex-und-Hop-Prinzip und den Unmengen an Müll den Kampf angesagt - mit der Europäischen Union als Vorreiter. Ab 2021 werden zehn der am häufigsten verkauften Einwegprodukte in der EU verboten, darunter Wattestäbchen, Trinkhalme, Einweggeschirr und expandierte Styroporbehälter. Alle Produkte, die in Stichproben an den Stränden in 17 EU-Mitgliedstaaten am häufigsten gefunden wurden. Ende Juni hat das Bundeskabinett das Ganze für Deutschland auf den Weg gebracht. Ab Mitte nächsten Jahres wird der Verkauf solcher Produkte als Ordnungswidrigkeit geahndet. Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte: "Viele Einweg-Kunststoffprodukte sind überflüssig und Ressourcen werden nicht nachhaltig genutzt."

Nur: Es gibt keinen Grund zum Aufatmen. Das Verbot von Einwegplastik ist der richtige Schritt, trägt aber wenig zur Umweltverschmutzung insgesamt bei. Dafür ist der Anteil der Ex- und Hopp-Produkte am gesamten Kunststoffverbrauch zu gering. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft Europas, sind es rund 105.000 Tonnen pro Jahr, während gleichzeitig rund drei Millionen Tonnen Kunststoffverpackungen verbraucht werden, die meist schon nach kurzer Zeit im Müll landen. Das heißt: Die weltweit beachtete EU-Verordnung reduziert diesen Kunststofffluss um bis zu drei Prozent.

Tatsächlich ist das Einbahnverbot nur eine Teillösung eines Teilproblems, auch wenn die EU-Initiative auf andere Kontinente kopiert und die anderen Beschlüsse, wie die Erhöhung der Recyclingquoten für Plastikflaschen, umgesetzt werden. Es ist bei weitem nicht genug. Die Strände nicht zu schützen, das Wachstum der fünf gigantischen Plastik-Whirlpools, die sich auf den Weltmeeren gebildet haben, nicht zu bremsen und die Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik, das unsichtbar ist und größtenteils aus ganz anderen Quellen stammt, nicht zu stoppen, denn B. der Abrieb von Pkw- und Lkw-Reifen. Das Hauptproblem ist die Ressourcenverschwendung durch den Massenmarkt von billigen Kunststoffen, die unzählige Zusatzstoffe enthalten. Die gesamte „Abfallstrategie“ der EU, die unter anderem auch höhere Recyclingziele vorsieht, leistet jedoch nur einen rudimentären Beitrag zur Lösung dieses Problems.

Wenn große #Kunststoffkonzerne Projekte gegen #Plastikmüll im Meer unterstützen, ist das gut. Trotzdem muss die Menge an produziertem Plastik drastisch reduziert werden. Es muss recycelbar sein und die Hersteller müssen dafür Verantwortung übernehmen: https://t.co/49EUfH7FNd

Fakt ist: Das Abfallaufkommen wächst weltweit, sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern. Nicht nur bei Kunststoffen, sondern hier ist das Problem am offensichtlichsten. Seit Beginn des „Plastikzeitalters“ in den 1950er Jahren wurden weltweit rund acht Milliarden Tonnen Plastik produziert – auf jeden heute lebenden Menschen kommt gut eine Tonne. Die weltweite Jahresproduktion beträgt derzeit rund 400 Millionen Tonnen – das entspricht etwa dem Gewicht von zwei Dritteln der heute auf der Welt lebenden Menschen. Experten schätzen, dass sich die Produktion ohne eine nachhaltige Kurskorrektur bis 2050 vervierfachen könnte, so Experten der britischen Ellen MacArthur Foundation. Geschieht das – und werden Sammlung und Recycling nicht drastisch verbessert – besteht die Gefahr, dass mehr Plastik als Fische in den Meeren schwimmen, heißt es in einer Studie für das Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Mengen sind heute schon riesig. „Das Verhältnis von Plastik zu Fisch liegt derzeit bei eins zu fünf“, sagt die italienische Forscherin Maria Cristina Fossi, die die Auswirkungen der Plastikflut auf das Meeresleben erforscht.

Die Folgen der Müllflut sind dramatisch. Es geht nicht nur um die fünf maritimen Müllhalden und die auf ihrer Plastikkarte verendenden Seevögel, Schildkröten und Wale, deren Bilder die Weltöffentlichkeit erschütterten. Vor allem in Entwicklungsländern, wo laut Weltbank 90 Prozent des Mülls einfach weggeworfen oder ungeordnet verbrannt werden. In den meisten Ländern der Welt gibt es keine Recyclingsysteme wie den „Grünen Punkt“. Ungesicherte Deponien verunreinigen das Trinkwasser, brennender Müll verschmutzt die Luft, Plastikmüll verstopft die Kanalisation und erhöht die Überschwemmungsgefahr. Insbesondere die Gesundheitsrisiken durch Müll werden oft unterschätzt. Oder einfach ignoriert.

BÜRGER: INSIDE Jeder in Deutschland lebende Mensch produziert jährlich mehr als 600 Kilogramm Müll. Wegweiser zeigen, wie man da runter kommt – von „Weniger Essen wegwerfen“ über „Kaffeekapseln vermeiden“ bis hin zur Frage: „Brauche ich das wirklich?“ Sie müssen es nur tun. Außerdem: Politiker wählen, die trotz Corona Umweltthemen auf ihrer Agenda haben.

POLITIK: INSIDE Verhelfen Sie einer „Kreislaufwirtschaft“ endlich zum Durchbruch, die nach dem Vorbild der Natur arbeitet – auch in ihren Kreisläufen bleibt kein „Müll“ übrig. Und Sie müssen dafür sorgen, dass die Rohstoffpreise endlich die ökologische Wahrheit sagen.

UNTERNEHMER: INSIDE Neue Geschäftsmodelle entwickeln: Produkte, egal ob Handy, Waschmaschine oder Auto, werden nicht mehr verkauft, sondern vermietet. Die Hersteller bleiben Eigentümer ihrer Produkte und gestalten diese daher so, dass sie optimal recycelbar sind. Das Motto sind die drei „Rs“: Reduce, reuse, recycle.

MEHR LESEN: Die Biologin Indra Starke-Ottich hat das Buch „Mein Weg aus der Plastikfalle – Wie Plastik im Alltag vermieden werden kann“ geschrieben. Es ist Anfang August im oekom-Verlag München erschienen, das gedruckte Exemplar kostet 22 Euro, ein PDF gibt es für 18 Euro. jw

Aber das ist nicht alles. Das Plastikzeitalter hat praktisch die ganze Erde fein verteilt mit Plastikpartikeln in Mikrometer- und Nanometergröße bedeckt, wobei Forscher diese "terrestrische" Verschmutzung langfristig für noch gefährlicher halten als die der Ozeane. Die Mini-Plastikpartikel, die auch schädliche Zusatzstoffe wie Weichmacher und Stabilisatoren enthalten, landen wieder im menschlichen Körper. Sie wurden in Speisefischen wie Kabeljau und Makrele und neuerdings sogar in abgefülltem Mineralwasser gefunden.

Die Verschmutzung des Planeten ist ein ebenso dramatisches Signal wie der Klimawandel. Die Müllflut ist ein Symbol dafür, dass die Menschheit die ökologischen Grenzen überschreitet, die ihr der Globus unverrückbar auferlegt. Die Wissenschaft diskutiert die Ausrufung des „Anthropozäns“, des geologischen Zeitalters, in dem der Mensch zum bestimmenden Faktor der Erde geworden ist – etwa durch den Klimawandel, die Zerstörung von Urwäldern und die Förderung der Bodenerosion.

Aber im wahrsten Sinne des Wortes wird das Anthropozän plastisch, wenn es als plastisches Zeitalter verstanden wird. Den Beginn dieses Erdzeitalters in Jahrtausenden werden Geologen noch leicht bestimmen können – zum Beispiel anhand der Plastikfragmente, die sich in den letzten 70 Jahren praktisch überall ausgebreitet haben, bis in die Arktis und den Himalaja. „Kunststoff findet sich bereits in allen Lagerstätten der Erde, von Bergteichen bis zur Tiefsee, und wird als Technofossil zu einem der wichtigsten Schlüsselfossilien des Anthropozäns“, sagt der Paläontologe Reinhold Leinfelder von der Freien Universität Berlin . Doch während der Klimawandel als drängendes globales Problem erkannt wird und die Weltgemeinschaft den Pariser Vertrag zumindest 2015 mit ambitionierten Zielen verabschiedet hat, gibt es beim Müll bisher nichts Vergleichbares.

Der Mensch hat schon immer Abfall produziert. Problematisch wurde dies erst, als er sich während der Jungsteinzeit als Ackerbauer niederließ und dann immer größere Siedlungen entstanden. Im heutigen Nahen Osten gab es die ersten Müllberge, die aus Platzmangel in Schichten übereinander gestapelt wurden. Die Türkei, der Libanon und Syrien sind voll von Überresten solcher Siedlungshügel namens "Tell" - bekanntestes Beispiel: Troja. Auch für New York haben Archäologen herausgefunden, dass der Straßenhorizont Manhattans heute fast zwei Meter höher liegt als noch vor 350 Jahren – der „Big Apple“ liebt Müll und Schutt.

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Doch mittlerweile hat das Abfallproblem global neue Dimensionen erreicht – denn die Zahl der Menschen nimmt exponentiell zu, der ressourcenintensive Lebensstil der alten Industrieländer wird weltweit kopiert und der „moderne“ Abfall enthält auch Schadstoffe, die eigentlich haben keinen Platz in der Biosphäre. Plastik macht „nur“ zwölf Prozent aller Abfälle weltweit aus. Der Rest ist anderer Müll verschiedenster Art – von Zigarettenkippen im Gully über Metalle und Rohstoffe wie seltene Erden, die wertvoll sind und doch weggeworfen werden, bis hin zu gefährlichem Gift- und Atommüll. Auch Industrieabfälle in Form von Schlacke, Gips oder Silberfolien werden zu einem immer größeren Problem. Auch organischer Abfall, der eigentlich harmlos wieder in den biologischen Kreislauf gelangen könnte, kann Umweltschäden verursachen, wenn er deponiert wird und dann unter Luftabschluss innerhalb der Müllhalde das besonders gefährliche Treibhausgas Methan entsteht.

Die Müllmenge droht unaufhaltsam zu steigen. Experten der Weltbank schätzen, dass sie bis 2050 um 70 Prozent von derzeit zwei Billionen Tonnen pro Jahr auf 3,4 Billionen Tonnen steigen werden. Demnach werden Europäer und Nordamerikaner bis Mitte des Jahrhunderts ein Viertel mehr Abfall produzieren als heute. In Asien wächst die Menge je nach Region um 50 bis 100 Prozent, in Afrika verdreifacht sie sich.

Umweltforscher haben die moderne Produktionsweise als gigantische Rohstoffverschwendungsmaschine bezeichnet, mit der als Nebeneffekt Produkte oder Dienstleistungen verschwendet werden. In einem Industrieland wie Deutschland werden nach Angaben des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie (WI) jährlich etwa 33 bis 40 Tonnen Rohstoffe pro Kopf verbraucht, um den heutigen Lebensstil aufrechtzuerhalten. Das ist etwa 30- bis 50-mal mehr als in den ärmsten Ländern der Erde üblich. „Acht Tonnen pro Kopf und Jahr gelten als global nachhaltige Maßnahme“, schreibt das Institut.

Laut dem im vergangenen Jahr verstorbenen Umweltforscher und ehemaligen WI-Vizepräsidenten Professor Friedrich Schmidt-Bleek verändern nun mehr Menschen als geologische Kräfte die Erde – ein weiterer Beleg für die „Anthropozän“-These. Aus ökologischer Sicht wird dies vor allem zum Problem, denn durchschnittlich mehr als 90 Prozent der in der Natur bewegten und abgebauten Ressourcen verkommen auf dem Weg zur Produktion von Nahrungsmitteln, Maschinen, Gebäuden, Fahrzeugen und Infrastruktur und danach zu Müll die Nutzungsphase. Seit 1970 haben sich die Förderung und der Verbrauch von Rohstoffen weltweit verdreifacht. Die Ressourcenströme sind gigantisch und die Recyclingquoten viel zu gering.

Selbst in der hochentwickelten deutschen Wirtschaft werden letztlich nur 13 Prozent der in der Industrie verwendeten Materialien zu neuen Produkten recycelt; weltweit sind es nur sieben Prozent. Die Bundesrepublik Deutschland, in der schließlich der „Grüne Punkt“ erfunden wurde, ist weit von einer perfekten Recyclingkette entfernt – zumal sie einen Großteil ihrer Abfälle durch Exporte in andere Teile der Welt entsorgt. Es landet dann in Rumänien, Ghana, Indonesien oder Malaysia.

Bis zu 20 Prozent des deutschen Plastikmülls landen im Ausland. Wichtigstes Empfängerland ist nun Malaysia, nachdem China seine Grenze geschlossen hatte, gefolgt von Indien und Vietnam. Das Hauptproblem dabei: Das Kunststoffmaterial wird oft weder gereinigt noch vorsortiert. Die Käufer suchen dann oft nur nach bestimmten Teilen, deren Recycling einen Gewinn bringt. Der Rest wird verbrannt oder auf Deponien entsorgt, einige landen auch in Flüssen und darüber im Meer. Aber nicht nur Deutschland tut dies, praktisch alle Industrieländer nutzen Entwicklungs- und Schwellenländer als billige Deponien.

Ein Beispiel ist Sungai Petani, eine Stadt im Norden Malaysias, in deren Umgebung mehrere illegale Müllverbrennungsanlagen stehen. Nachts, wenn die Öfen hochgefahren werden, damit niemand sieht, wie viel Schmutz hier in die Luft geblasen wird, riecht es besonders schlimm. Wenn der Tag anbricht, haben sich die schwarzen Wolken verzogen – der saure Geruch der wilden Müllhalden bleibt. Und die Folgen für die Menschen. Die Umweltorganisation Greenpeace, die kürzlich auf zehn Deponien in Malaysia Boden- und Wasserproben entnommen hat, fand dort unter anderem Rückstände von bromhaltigen Flammschutzmitteln. Ihr Experte Manfred Santen: „Die Schadstoffe können in die Nahrungskette gelangen und ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung darstellen.“

Ein weiteres besonders kritisches Beispiel ist der jährliche weltweite Anfall von bis zu 50 Millionen Tonnen Elektroschrott laut UN, von dem ein Großteil in Afrika entsorgt wird – in Ländern wie Ghana, Nigeria oder Kamerun. Dass hier das „Recycling“ ausgedienter Computer, Laptops oder Fernseher unter unhaltbaren Bedingungen stattfindet, ist bekannt. Ein Beispiel ist „Agbogbloshie“: In diesem Slum am Rande von Ghanas Hauptstadt Accra landet ein Großteil des Elektroschrotts aus aller Welt. Die Arbeiter, oft Kinder und Jugendliche, schmelzen Kunststoffbeschichtungen von Kabeln und Leiterplatten ab, um an die Rohstoffe zu kommen, die sie verkaufen können. Sie verbrennen die Überreste und setzen gefährliche, manchmal krebserregende Gifte frei. Darunter Blei, Cadmium und Quecksilber.

Der Schlüssel zur Eindämmung des überhöhten Rohstoffverbrauchs und damit auch der Abfallströme liegt in der Verbesserung der Ressourcenproduktivität – dh einer besseren Materialnutzung zur Erbringung der benötigten Dienstleistungen – und im Übergang zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Laut Schmidt-Bleek muss der Ressourcenverbrauch weltweit mindestens halbiert werden; in den Industrieländern erfordert dies sogar eine Reduzierung auf ein Zehntel des bisherigen Niveaus („Faktor 10“). Konzepte dafür gibt es in vielen Bereichen – im Straßenverkehr zum Beispiel kann der Umstieg vom Auto auf das Fahrrad mehr als diese Einsparungen bei jeder Fahrt bringen. Konsequent umgesetzt werden sie allerdings noch nicht, unter anderem weil die Rohstoffpreise zu niedrig sind und nicht die „ökologische Wahrheit“ sagen, wie der Umweltforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker fordert. In Deutschland ist der Ressourcenverbrauch pro Kopf in den letzten Jahren sogar wieder gestiegen.

Wie bei der Klimafrage ist auch bei den Rohstoffen eine radikale Trendwende notwendig. Abfall muss in Produktion, Verbrauch und Abfallwirtschaft drastisch reduziert werden. Gefragt sind eine spürbare Besteuerung von Rohstoffen, konsequentes Recycling und veränderte Konsumgewohnheiten. Ein wichtiger Hebel können auch neue Geschäftsmodelle sein, bei denen Produkte wie Haushaltsgeräte nicht mehr verkauft, sondern für eine bestimmte Nutzungsdauer geleast werden. Vorteil: Die Hersteller bleiben Eigentümer ihrer Produkte und gestalten diese daher so, dass sie optimal recycelbar sind. „Eine Waschmaschine würde dann nicht mehr rund 150, zum Teil minderwertige Kunststoffsorten enthalten, sondern nur noch fünf“, erklärt Lüneburg-Professor und Öko-Vordenker Michael Braungart, „mehr braucht man nicht.“ Ziel solcher Konzepte ist eine praktisch geschlossene Kreislaufwirtschaft, auch „Circular Economy“ oder „Life Cycle Economy“ genannt. Es funktioniert nach dem Vorbild der Natur, in deren Kreislauf kein „Müll“ übrig bleibt.

In den meisten Industrieländern fehlen noch umfassende Konzepte für eine Kreislaufwirtschaft – auch in Deutschland, wo 1994 ein „Kreislaufwirtschaftsgesetz“ mit dem Ziel der Abfallvermeidung verabschiedet wurde. Einige Länder arbeiten jedoch in der einen oder anderen Form daran. Frankreich hat 2018 einen 50-Punkte-Plan für eine Kreislaufwirtschaft vorgelegt, der dazu beitragen soll, den Ressourcenverbrauch in den nächsten Jahren um ein Drittel zu reduzieren. Auch die EU-Kommission gibt starke Impulse. Sie hat einen „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ aufgestellt, der die Wirtschaft in der Union auf den grünen Weg bringen und bis 2030 rund 700.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen soll.

Von einer solchen Umstrukturierung sind die Entwicklungsländer hingegen noch weit entfernt. In vielen von ihnen gibt es jedoch einen informellen Recyclingsektor, der aufgewertet und als Baustein für eine Kreislaufwirtschaft genutzt werden könnte – die „Waste Picker“. Schätzungsweise 15 Millionen von ihnen, meist Kinder und Jugendliche, Frauen, Arbeitslose, Alte oder Migranten, durchsuchen Mülltonnen und Müllhalden, um Brauchbares zu finden und damit Geld zu verdienen. Sie in die normale Wirtschaft zu integrieren und ihnen menschenwürdige Arbeitsplätze zu bieten, könnte ein Ansatz zum Aufbau von Rohstoff-Stoff-Kreisläufen sein.

Gerade mit Maßnahmen gegen die eskalierende Plastikkrise könnte die Weltgemeinschaft beweisen, dass sie den Ernst der Lage erkannt hat. Das spektakulärste Problem, die weitere Vermüllung der Meere, halten Experten für grundsätzlich lösbar. Voraussetzung wäre der Aufbau funktionierender Sammel- und Verwertungssysteme für Kunststoffabfälle in Entwicklungsländern, wie sie in vielen Industrieländern Standard sind. Der Großteil des Plastikmülls in den Ozeanen gelangt aus asiatischen und afrikanischen Ländern wie China, Indonesien, den Philippinen, Ägypten und Nigeria über nur zehn große Flüsse weltweit dorthin – und solche Maßnahmen könnten vermieden werden.

Es geht darum, den Müllnachschub zu minimieren. Schließlich ist es schwierig und zeitaufwändig, den Müll aus den Meeren zu holen und von den Stränden zu entfernen – wenn nicht sogar unmöglich. „The Ocean Cleanup“, das spektakuläre Projekt des niederländischen „Plastikfischers“ Boyan Slat, hatte jedenfalls 2019 mit großen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Der Pilotversuch im „Great Pacific Garbage Patch“, dem größten Müll Wirbel in den Ozeanen, funktionierte nicht wie erhofft. Hoffnung machen hingegen andere, weniger spektakuläre Müllsammelaktionen. Zum Beispiel die des jungen indischen Anwalts Afroz Shah, der 2016 die weltweit größte Bewegung für Strandreinigung aller Zeiten initiierte. Auslöser war ein Besuch von Sha und seinem damals 80-jährigen Nachbarn Harbanash Mathur an einem der größten Strände in Mumbai, was sie schockierte. Dort sahen sie einen riesigen Haufen verrottenden Mülls, der stellenweise knietief geworden war. Plastiktüten, Zementsäcke, Glasflaschen, Kleidung, Schuhe und anderer Müll bedeckten jeden Zentimeter Sand und verwandelten die einst unberührte Küste in eine Einöde. Sie krempelten die Hemdsärmel hoch, gingen zum Strand hinunter und begannen, Müll aufzusammeln. Das inspirierte viele Mitstreiter in Indien und anderen Ländern zur Teilnahme. Er wurde als „UN Champion of the Year“ ausgezeichnet.

Leider ist das Problembewusstsein bei den großen Müllsammlern immer noch zu gering, auch wenn es ermutigende Entscheidungen gibt. Indien zum Beispiel hat beschlossen, Einwegplastik ab 2022 zu verbieten, Kenia hat Plastiktüten zurückgezogen und Israel hat die Menge an Plastiktüten im Meer halbiert. Aber von den großen Problemländern haben sich nur Indonesien, die Philippinen und Thailand der 2017 von den Vereinten Nationen gestarteten Kampagne „Saubere Meere“ angeschlossen.

Dies zeigt, dass noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten ist, bis ein Bewusstsein für das Plastikproblem wie das der Klimafrage erreicht werden kann. Ziel muss es dennoch sein, einen internationalen, rechtsverbindlichen Vertrag zu erreichen, der die Regierungen verpflichtet, die Umweltverschmutzung durch Plastik zu beseitigen. Und das nicht nur in den Ozeanen, sondern grundsätzlich in allen Ökosystemen. Plastikvermeidung und Mehrfachverwendung sowie die Etablierung einer geschlossenen Kunststoffrecyclingwirtschaft sind die Schlagworte. Der Berliner Experte Nils Simon hat einen Vorschlag auf Basis des Pariser Klimaabkommens 2015 vorgelegt – einer Konvention mit einem verbindlichen, übergreifenden Ziel, verbunden mit nationalen Aktionsplänen. Diese Idee voranzubringen, wäre eine Aufgabe der EU. Diese Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz hat sie bereits übernommen. (von Joachim Wille)