Messmer: So verkaufen Sie jährlich elf Milliarden Teebeutel - WELT

2021-11-29 08:34:52 By : Mr. Robert Wang

D er Blick von der Terrasse reicht über den Hamburger Museumshafen und die Magellan-Terrassen. Die herbstliche Wärme lockte zum Flanieren in die Hafencity. Und jetzt trinken sie im Messmer Momentum am Kaiserkai Tee und genießen die letzten schönen Tage. Messmer ist eine der Marken der East Frisian Tea Company mit Sitz in Seevetal. Das mittelständische Unternehmen zählt zu den deutschen Marktführern. Jochen Spethmann führt das Familienunternehmen in dritter Generation.

Welt am Sonntag: Herr Spethmann, Ihr Vater ist gerade Unternehmer des Jahres geworden. Warum du nicht

Jochen Spethmann: Es ist eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk. Ich gehe davon aus, dass wir, mein Bruder und ich, noch zu jung sind, um für so etwas in Frage zu kommen. Ohne die Arbeit meines Vaters und meiner Mutter wäre das Fundament nie geschaffen worden, auf dem aufgebaut werden kann.

Welt am Sonntag: Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Eltern?

Spethmann: Gut. Ich habe zehn Jahre mit meinem Bruder, meinem Vater und meiner Mutter zusammengearbeitet. Danach war es auch zeitweise kritisch. Später war es meine Mutter, die meinen Vater davon überzeugte, das Unternehmen zu verlassen und es an uns zu verkaufen.

Welt am Sonntag: Sie haben das Unternehmen nicht geerbt? Wie hast du das finanziert?

Spethmann: Zum Glück waren die Zahlen ziemlich gut. Wir hatten eine gute Strategie und Banker, die mir und meinem Bruder vertrauten und uns finanzierten, damit wir weitermachen konnten.

Welt am Sonntag: War das für Ihren Vater nicht eine schwere Entscheidung?

Spethmann: Ja. Sie hatte zwei Motivationen. Einerseits wollten er und meine Mutter im Alter nicht von uns abhängig werden, weil er das Geld immer in die Firma gesteckt hat. Auf der anderen Seite stand die Überzeugung, dass man ohne persönliche Schulden nie ein richtiger Unternehmer werden wird. Wir erhielten dann umgehend einen Zettel mit der Berechnung des Kaufpreises. Meine Eltern gaben uns zwei Tage Bedenkzeit.

Welt am Sonntag: Konnten Sie mit Ihrer Mutter sprechen, damit der Kaufpreis niedriger ist?

Spethmann: Nein, der Preis war fair. Mein Bruder ist unser Finanzier. Er hat nachgerechnet und schnell gemerkt, dass wir es schaffen können.

Welt am Sonntag: Sie wollten nicht neu verhandeln?

Spethmann: Nein. Das war ein klarer Schnitt. Danach verließen meine Eltern die Geschäftsführung. Einige Zeit später aus dem Beirat. Sie sind folglich nicht mehr im Unternehmen.

Welt am Sonntag: Seit wann gibt es die Ostfriesische Teegesellschaft?

Spethmann: Es gibt es schon seit 1907. Es wurde von meinem Urgroßvater gegründet und ist seitdem in der Familie geblieben. Später zog das Unternehmen von Leer nach Hamburg. Mein Vater hat es im Alter von 23 Jahren übernommen.

Welt am Sonntag: Sind Sie als Holding noch ein Familienunternehmen?

Spethmann: Ja. Einhundert Prozent. Die Familie hält alle Anteile. Wir sind nicht nur Aktionäre und Eigentümer, sondern mein Bruder und ich arbeiten im Management. Wir versuchen, dieses familiäre Gefühl in der Art und Weise zu bewahren, wie wir das Unternehmen führen.

Welt am Sonntag: Welche Vorteile hat die Komponente „Familie“ für Sie?

Spethmann: Es ist nicht anonym. Sie wissen, wie die Person aussieht, die das Unternehmen leitet. Man kann erlebt und berührt werden. Noch heute stehe ich in engem Kontakt mit unseren Kunden und Verbrauchern. Vor allem aber bei unseren Mitarbeitern.

Welt am Sonntag: Werden die Entscheidungen eins zu eins mit Ihrem Bruder getroffen?

Spethmann: Nein, und das wäre auch unnatürlich. Gute Entscheidungen werden auch durch Reibungen, Argumente und Konflikte getroffen. Außerdem sind mein Bruder und ich nicht allein im Vorstand.

Welt am Sonntag: Wer ist noch da?

Spethmann: Wir haben einen Kollegen, der nicht zur Familie gehört. Manchmal geht es hinter verschlossenen Türen zur Sache. Aber wenn wir uns entschieden haben und wieder rauskommen, dann sprechen wir alle eine Sprache. Ich bin der Vorsitzende, aber Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Ich sage immer, ich bin das Gesicht des Unternehmens. Ich bin der Kommunikator.

Welt am Sonntag: Welche Generation steht jetzt am Ruder?

Spethmann: Wir sind die vierte Generation in der Familie, geschäftlich sind wir die dritte.

Welt am Sonntag: Warum das?

Spethmann: Weil mein Vater direkt von seinem Großvater übernommen hat.

Welt am Sonntag: Steht bereits die fünfte Generation in den Startlöchern?

Spethmann: Ja. Wir haben acht junge Erwachsene in der nächsten Generation, die in Ausbildung und Studium sind. Neben unserem Partnerschaftsvertrag haben wir seit Jahren auch einen Familienvertrag entwickelt.

Welt am Sonntag: Was steht da?

Spethmann: Dort haben wir aufgeschrieben, wie wir uns als Familienunternehmen verstehen, welche Werte und welche Rollen wir haben. Es besagt auch, dass maximal zwei Familienmitglieder in die Geschäftsführung eingreifen können. Das entscheidet aber nicht die Familie, sondern unser Beirat. Das wissen auch die Kinder, wir halten das sehr transparent und sprechen mit euch bei unseren Familientreffen darüber.

Welt am Sonntag: Trinken Sie dabei Tee?

Welt am Sonntag: Und wie viele Menschen trinken in Deutschland ihren Tee?

Spethmann: Im vergangenen Jahr haben 13 Millionen Haushalte mindestens einen Tee von Messmer gekauft.

Welt am Sonntag: Können Sie das in Tassen umwandeln?

Spethmann: In rund 325 Millionen Tassen.

Welt am Sonntag: Wie viele Teebeutel verkaufen Sie pro Jahr?

Welt am Sonntag: Verkaufen Sie mehr losen Tee oder mehr Teebeutel?

Spethmann: Deutlich mehr Teebeutel. Sie sind ein Wunderwerk der Technik. Der Kunde bekommt genau die Portion Tee, die er braucht. Außerdem erhalten Sie eine „Erfolgsgarantie“. Es sagt genau, wie lange es gebraut werden soll.

Welt am Sonntag: Wie lange müssen Sie brauen?

Spethmann: Es kommt immer auf die Sorte an. Schwarzer und grüner Tee zwischen drei und fünf Minuten. Bei Kräutertee dauert es je nach Sorte zwischen fünf und acht Minuten.

Welt am Sonntag: Muss das Wasser nicht heiß sein?

Spethmann: Das stimmt nicht. Auf jeden Fall sollte das Wasser vorher gekocht haben. Bei grünem Tee können Sie das Wasser etwas abkühlen lassen.

Welt am Sonntag: Was schmeckt besser, loser Tee oder Teebeutel?

Spethmann: Wenn es der gleiche Rohstoff ist, schmeckt er genau gleich. Es ist ein Mythos, dass der lose Tee besser sein soll als der Teebeutel.

Spethmann: Der lose Tee und die Teebeutel werden genauso hergestellt. Am Ende des Prozesses läuft der Tee durch ein Siebsystem. Es gibt vier Blattklassen. Je nachdem, auf welchem ​​Sieb der Tee belassen wird, erhält er einen Namen.

Welt am Sonntag: Welcher Name?

Spethmann: Das sind Leaf, Broken, Fannings und Dust. Auf deutsch: Blatttee, kleinblättriger Tee, Tee für Aufgussbeutel und gesiebtes Teepulver. Der Tee wird kleiner und kleiner, bleibt aber gleich.

Welt am Sonntag: Wer hat den Teebeutel erfunden?

Spethmann: Das war um 1906 der amerikanische Teehändler Thomas Sullivan. Es ist ihm zufällig passiert. Um Gewicht zu sparen, schickte er seine Teeproben in kleinen, platzsparenden Seidenbeuteln.

Welt am Sonntag: Welche Teebeutel verwenden Sie?

Spethmann: Wir haben speziell für uns entwickelte Teebeutelmaschinen. Als mein Vater anfing, gab es eine Firma, die diese Maschinen herstellte, sie aber nicht an uns verkaufen wollte.

Spethmann: Weil wir potentielle Konkurrenten waren. Also fuhr mein Vater durch ganz Europa, bis er eine kleine italienische Firma fand, die einen Prototyp hatte. Wir haben bei ihm unsere erste Teebeutelmaschine gekauft. Heute ist dieses Unternehmen einer der größten Verkäufer von Teebeutelmaschinen und wir sind der größte Kunde.

Welt am Sonntag: Was ist der klassische Tee?

Spethmann: Fragt man überzeugte Schwarztee-Trinker, werden sicher Darjeeling-Tee oder Earl Grey genannt. Fragt man Grünteetrinker, gehört Jasmintee genauso dazu wie Sencha-Tee. Ich persönlich liebe Eisenkraut.

Welt am Sonntag: Was ist das für ein Kraut?

Spethmann: Das ist die französische Besonderheit des Eisenkrauts. Das bekommt man in jedem französischen Top-Restaurant als Alternative zum Espresso. Sehr empfehlenswert.

Welt am Sonntag: Wer mischt die Tees, damit sie gut schmecken?

Spethmann: Das eigentliche Geheimnis einer Teefirma sind die Teeknöpfe. Ich bin auch ausgebildeter Teeverkoster. Sie sind vergleichbar mit den Sommeliers. Sie kaufen Tee auf der ganzen Welt und kreieren wunderbare Kompositionen.

Welt am Sonntag: Wie viele Tassen Tee darf ich pro Tag trinken?

Spethmann: Es gibt keine Grenzen. Ich persönlich trinke täglich zwischen ein und eineinhalb Liter Tee. Ich trinke nicht nur schwarzen oder grünen Tee, sondern auch viele Kräuter- und Früchtetees. Eine Tasse Tee enthält nur halb so viel Koffein wie eine Tasse Kaffee.

Welt am Sonntag: Wo auf der Welt wird am meisten Tee getrunken?

Spethmann: Die Iren trinken am meisten Schwarztee pro Kopf. Wie die Engländer beziehen sie ihren Tee hauptsächlich aus Ostafrika. Aus Kenia, Ruanda, Malawi.

Welt am Sonntag: Woher bekommen Sie Ihren Tee?

Spethmann: Weltweit. Die Schwarz- und Grüntees kommen aus Ländern wie Indien, Sri Lanka, Indonesien oder China, aber auch aus Ostafrika und Argentinien. Kräuter- und Früchtetees sind um die ganze Welt. Wir haben 200 verschiedene Pflanzen aus 70 Ländern in unserem Sortiment.

Welt am Sonntag: Haben Sie eine Art Tee-Experimentierküche?

Spethmann: Unsere Teeknöpfe funktionieren auch hier am Meßmer Momentum. Hier setzen wir uns sehr oft mit unseren Experten, Lieferanten und dem Marketing zusammen und überlegen, was man Neues machen kann. Rund 150.000 Teetrinker kommen jedes Jahr zu uns. Auch diese geben uns gute Ratschläge.

Welt am Sonntag: Wann haben Sie Ihren letzten Coffee to go getrunken?

Spethmann: Meinen letzten Kaffee habe ich vor 15 Jahren oder länger getrunken. Gelegentlich wird mir vorgeworfen, aus Dogmatismus Tee getrunken zu haben. Tatsächlich habe ich bis dahin immer Kaffee getrunken, weil er da war und nicht, weil er mir gefiel. Aber ich habe nichts gegen Kaffee.

Welt am Sonntag: Du siehst sportlich aus. Wie geht's?

Spethmann: Ich laufe seit Jahren Marathons, die volle Distanz, 42,195 Kilometer. Einmal im Jahr, mittlerweile mehr als 16 Mal. Ich bin in New York, Wien, London, Köln, Berlin und oft in Hamburg gelaufen.

Welt am Sonntag: Wie und wann trainieren Sie?

Spethmann: Meist morgens und am Wochenende. In der Regel ab 5.30 Uhr auf der Alster, auf dem Alsterwanderweg und auf der Elbe. Ich habe zwei Jahre mit Triathlon angefangen.

Welt am Sonntag: Triathlon, wie alt bist du?

Spethmann: Ich bin 56 Jahre alt.

Welt am Sonntag: Welche Disziplin fällt Ihnen am leichtesten, Schwimmen, Laufen oder Radfahren?

Spethmann: Laufen natürlich, weil ich vom Marathon komme. Aber ich schätze das Schwimmen und Radfahren, weil es eine tolle Abwechslung ist. Wenn Sie drei Stunden Rad fahren, sind Sie 80 Kilometer gefahren und sehen viel mehr als beim Laufen.

Welt am Sonntag: Und was machen Sie auf Reisen?

Spethmann: Ich habe meine Laufschuhe und Schwimmsachen immer dabei.

Welt am Sonntag: Welchen Platz haben Sie beim letzten Triathlon eingenommen?

Spethmann: In meiner Altersklasse von 120 Teilnehmern war ich die Nummer 27.

Welt am Sonntag: Was sagt Ihre Frau dazu?

Spethmann: Meine Frau macht sich schon Sorgen, wenn ich das nicht mehr kann. Sie fragt sich schon, was sie dann mit mir machen soll.

Jochen Spethmann wurde am 8. Dezember 1957 in Köln geboren. Nach seinem Umzug nach Hamburg begann er eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei Töpfer International. Anschließend ging er für fünf Jahre nach London und Amerika. 1985 kehrte er nach Deutschland zurück. Spethmann ist seit 1992 Partner und seit 1999 Vorstandsvorsitzender des Familienunternehmens Laurens Spethmann Holding. Er bekleidet zahlreiche Ehrenämter und ist Vorsitzender des Deutschen Teeverbandes und des European Tea Committee. Der Familienvater ist begeisterter Hockeyspieler, Marathonläufer und Triathlet.

Norbert Vojta ist Journalist und Honorarprofessor an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg

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