Ökobilanz: Warum die Plastiktüte gar nicht so schlecht ist | kurier.at

2021-12-14 18:03:02 By : Mr. Steven Wang

Stoffbeutel gelten als nachhaltige Alternative zu Plastiktüten: Aber auch in puncto Ökobilanz haben die Baumwollsäcke Schönheitsfehler.

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Stoff, Papier – oder ist es Plastik? Welche Tragetaschen sind die umweltfreundlichsten.

Lokale Supermärkte bereiten sich auf das 2020 in Kraft tretende Verbot von Plastiktüten vor – und verbannen Plastiktüten aus ihrem Sortiment. Ein Schritt in die richtige Richtung. Doch wie umweltfreundlich sind die Alternativen aus Papier, Stoff oder Maisstärke eigentlich?

Polyethylen ist der weltweit am häufigsten hergestellte und verwendete Kunststoff. Auch die meisten Plastiktüten werden daraus hergestellt. Entsprechend groß ist ihr Beitrag zur weltweiten Plastikverschmutzung.

Polyethylen hat durchaus Vorteile, sagt Bernhard Wohner von der FH Wien für Verpackungstechnik und Ressourcenmanagement. „In der Produktion braucht man vergleichsweise wenig Material, daher ist die Produktion für Unternehmen günstig – der Kunde profitiert davon, dass die Taschen leicht und reißfest sind.“

Das Problem beginnt beim Recycling: „Theoretisch könnten diese Säcke sehr gut recycelt werden. In vielen Haushalten gibt es jedoch keine Möglichkeit, sie getrennt zu sammeln.“ Im gewerblichen Bereich werden große Polyethylenfolien sehr gut sortiert und wiederaufbereitet. Das solle auch beim Hausmüll das Ziel sein, „weil er dann wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt wird“.

Neben normalen Plastiktüten sind auch Tüten aus biologisch abbaubarem Kunststoff auf dem Markt. Wer glaubt, sie über den Kompost im Garten entsorgen zu können, der irrt. „Normalerweise lassen sich solche Tüten nicht zu Hause kompostieren. Das heißt, sie sind nur dann biologisch abbaubar, wenn sie in einer industriellen Kompostieranlage landen.“ Aufgrund der höheren Temperatur baut sich das Material dort schneller ab.

Derzeit, erklärt Wohner, mache es keinen Sinn, solche Tüten in eine Bioabfallsammlung zu geben, "weil sie in der Kompostieranlage aus dem Abfallstrom aussortiert und noch stärker verbrannt werden".

Der Grund: Die Maschine weiß nicht, ob das Material biologisch abbaubar ist oder nicht. Und geht automatisch davon aus, dass der Konsument die normale Plastiktüte falsch im Biomüll entsorgt hat. Der Nutzen der biologischen Abbauarbeit geht somit verloren.

Will man Polyethylen und biologisch abbaubaren Kunststoff hinsichtlich der Ökobilanz (sie gibt Auskunft darüber, wie stark ein Produkt die Umwelt belastet) vergleichen, muss man unterscheiden: ob der biologisch abbaubare Beutel auch biobasiert ist oder auf dem Basis von Erdöl. Letzteren werden Zusätze zugesetzt, damit sie sich zersetzen. Wohnen rät von deren Verwendung ab, "weil dabei Mikroplastik entsteht".

Bei biologisch abbaubaren Plastiktüten hängt die Zeit bis zum vollständigen Abbau von Material und Temperatur ab. „Nach EU-Norm ist ein Material biologisch abbaubar, wenn es sich nach drei Monaten in einer Kompostieranlage zu 90 Prozent zersetzt. Auch wenn in einer solchen Anlage ein Sack nicht aussortiert wird, ist diese Abbauzeit für viele Pflanzen derzeit zu lang.“ Auch hinsichtlich der Ökobilanz ergibt sich kein Vorteil. „Biologisch basierte Kunststoffe haben in der Produktion meist einen höheren Rucksack.“ Wenn der Vorteil der biologischen Abbauarbeit wegfällt, spricht nichts dafür.

Wer also die Wahl zwischen biologisch abbaubaren und nicht biologisch abbaubaren Tüten habe, „würde ich den konventionellen nehmen – oder lieber auf langlebigere Alternativen wie Stoffbeutel zurückgreifen“.

Stichwort Stoffbeutel: Statt Plastiktüten verwenden viele Supermarktkunden mittlerweile strapazierfähige Baumwolltüten. In jüngster Vergangenheit haben Studien deren Umweltfreundlichkeit in Zweifel gezogen. Für die Produktion würden riesige Mengen Wasser verwendet; die Produkte müssten sehr oft verwendet werden, um ökologisch mit Plastiktüten mithalten zu können. Richtig, sagt der Experte Wohner: „Je nach Studie muss man einen Stoffbeutel bis zu 80 Mal benutzen, damit er so gut wird wie einer aus recyceltem Plastik.“ Es ist machbar, jeden Monat eine neue Tasche zu kaufen, aber "nicht drinnen". Der beste Sack ist der, den Sie bereits haben.

Wenn Sie erst an der Supermarktkasse bemerken, dass Sie dies zu Hause vergessen haben, verwenden Sie vielleicht aus schlechtem Gewissen lieber Papier.

Unterm Strich hat ein Papiersack oft eine schlechtere Ökobilanz, auch wenn er sehr gut recycelt werden kann – vorausgesetzt, er passt zum Altpapier. Denn Papier ist energieintensiv in der Herstellung, es wird Erdöl verbraucht und man braucht mehr Material aus Papier, um die gleiche Reißfestigkeit wie Kunststoff zu haben. „Es gibt Studien, die besagen, dass Papier fast siebenmal ressourcenintensiver ist als recyceltes Plastik“, sagt Wohner.

Dass Papier in der Natur schnell abbaut und dabei weniger Giftstoffe freigesetzt werden, ist in Österreich eher unwichtig: „Ein umweltbewusster Kunde würde den Sack so oder so entsorgen. Wenn das passiert, kann man davon ausgehen, dass es kein Ende nimmt“ up in nature Insofern haben wir dieses Problem in Österreich nicht. In Ländern, die am Meer liegen, ist das ein anderes Thema.“

Und dann gibt es noch Säcke aus Maisstärke und Zuckerrohr. „Die Ökobilanz solcher Materialien ist negativ zu bewerten, da Erdöl auch als Energieträger in der Produktion verwendet wird.“ Auch der Anbau solcher Rohstoffe ist nicht ohne. Sie brauchen viel Land, Düngemittel, Pestizide – vielleicht wird sogar Regenwald für den Anbau geopfert. Auch soziale Faktoren spielen eine Rolle, beispielsweise in Ländern mit niedrigen Löhnen. Ganz zu schweigen vom Transport, der zum Beispiel Zuckerrohremissionen verursacht, die aus Brasilien stammen.

Die Quintessenz in der Sackleinen-Debatte? Vorausschauendes und bewusstes Handeln zahlt sich aus. Korb-, Rucksack- oder Stoffsäcke, die bereits im Haushalt vorhanden sind, sind immer die bessere Wahl. Denn: "Kein Sackkauf hat die beste Ökobilanz."

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