Die Gier nach Papier und ihre Folgen | Wissen & Umwelt | DW | 26.10.2019

2021-12-14 18:03:08 By : Ms. Mandy Zhang

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Biologisch abbaubare, natürliche und nachwachsende Rohstoffe: Anders als Plastik ist Papier heute ein nachhaltiges Material. Der stetig wachsende Papierverbrauch führt weltweit zu Abholzung und Artensterben.

Seit zwölf Jahren ehrt der „Papieratlas“ Städte, Kreise und Universitäten in Deutschland, die ausschließlich oder besonders viel Recyclingpapier verwenden, mit dem Blauen Engel, das zu 100 Prozent aus Recyclingpapier besteht. In diesem Jahr können sich Oldenburg, Höxter und Ahrweiler sowie die Technische Universität Kaiserslautern über die Auszeichnung freuen.

Erstellt wird der Papieratlas von der Initiative Pro Recyclingpapier (IPR), einem Zusammenschluss von 25 Wirtschaftsunternehmen und Verbänden. Die Initiative macht vor allem eines deutlich: Papier ist weniger umweltfreundlich, als es angeblich ist. Sein Papierverbrauch frisst ganze Wälder auf.

Darauf verweisen Papierexperten der Beratungsorganisation Forum Ökologie und Papier (föp): Rund jeder fünfte Baum, der weltweit gefällt wird, landet in der Papierherstellung. Doch das Holz stammt nicht nur seit langem aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern.

Eukalyptus-Monokulturen werden auch "grüne Wüsten" genannt

Um den Bedarf zu decken, werden neben der Abholzung naturnaher Wälder laut IPR auch schnell wachsende Plantagen wie Eukalyptus genutzt. Diese Monokulturen reduzierten die Biodiversität und könnten aufgrund ihres hohen Wasserbedarfs zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels führen. Zudem sind Monokulturen anfälliger für Waldbrände, die sich dort schneller ausbreiten können als in Mischwäldern.

Und der weltweite Papierverbrauch steigt weiter. Deutschland ist einer der größten Verbraucher weltweit. Im Jahr 2017 war Deutschland das viertgrößte papierhungrige Land der Welt. Laut IPR stammen 75 Prozent des Zellstoffs für die Papierproduktion in Deutschland aus anderen Ländern, hauptsächlich aus Brasilien, Schweden und Finnland.

Während der Anteil grafischer Papiere, zB für Bücher, Zeitschriften, Druck- oder Schreibpapiere in den letzten Jahren weiter zurückgegangen ist, machen Verpackungen mittlerweile den Löwenanteil des Papierverbrauchs aus. 

„Der Anteil von Papier, Karton und Kartonagen ist seit 1996 um 540 Prozent gestiegen“, sagt Almut Reichart, Expertin für die Zellstoff- und Papierindustrie im Umweltbundesamt (UBA). Verantwortlich für diesen Anstieg sind Pappbecher und Teller für Speisen zum Mitnehmen, Verpackungen im Lebensmittelbereich und vor allem der verstärkte Online-Handel. Neben der großen Anzahl an Paketen und Päckchen ist es auch wichtig, dass Kartons in Standardgrößen versendet werden und die Verpackung daher größer als nötig ist.

Die föp befürchtet, dass das schlechte Image von Plastik auch dazu führen könnte, dass Verbraucher verstärkt Papier als Verpackungsmaterial nachfragen. „Mehrwegplastik hat eine deutlich bessere Ökobilanz als Papier – vor allem, wenn es sich nicht um Recyclingpapier handelt“, sagt Evelyn Schönheit vom föp.

Ein negatives Beispiel ist die Papiertüte. Obwohl es oft in einem ungebleichten Braun daherkommt, ist es noch lange kein Altpapier. Im Gegenteil: Damit die Tüten beim starken Einkaufen nicht reißen, sind für deren Herstellung besonders lange und reißfeste Zellulosefasern notwendig, schreibt die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Solche Fasern lassen sich am besten aus frischem Holz gewinnen. 

Papiertüten erscheinen oft als "Öko", aber meistens sind sie es nicht

Doch es gibt Alternativen zu Holz als Zellstofflieferant: Die Hoffnung liegt in Zellstoffpflanzen, die als Sekundärbiomasse wie Gras oder Stroh produziert werden. Voraussetzung sei aber, dass dies an anderer Stelle nicht fehlt, etwa als Viehfutter, sagt Almut Reichart vom UBA.

Künftig könnten vor allem Graspapier und Karton als Verpackungsmaterial zum Einsatz kommen, so der UBA-Experte: „Bei der Herstellung von Zellstoff-Pellets aus Gras kommen fast keine Chemikalien zum Einsatz und sie können in jeder Papierfabrik eingesetzt werden – das sind“ die Vorteile .

Der Nachteil ist ihr Aussehen. Sie sind deutlich weniger homogen als Holzfasern und weisen dunkle Punkte in ihrer Struktur auf. „Damit ist ihr Einsatz beispielsweise im Buchdruck eingeschränkt, so Reichart. Hier wird derzeit mit Stroh geforscht, das deutlich längere Fasern bietet.

Äpfel auf Gras, ähm.. auf Graskarton

Altpapier – ein wertvoller Rohstoff

Recyclingpapier weist derzeit die am besten erforschte Umweltbilanz auf. Das spart laut UBA 60 Prozent Energie und sogar 70 Prozent Wasser in der Produktion im Vergleich zu Papier aus Frischfasern. Auch die Frage der Konkurrenz um Anbauflächen stellt sich nicht.

Allerdings ist das Interesse an Recyclingpapier in Deutschland zurückgegangen. Im Jahr 2018 lag die Recyclingquote für Büropapiere und Zeitschriften nach Angaben der Verbraucherzentralen in Bayern und Nordrhein-Westfalen bei nur 30 Prozent. Im Bereich der Schulbücher ist sie von 50 bis 70 Prozent Anfang der 1990er Jahre auf heute nur noch 5 bis 10 Prozent geschrumpft. 1996 wurden 68 Prozent Altpapierfasern für Hygienepapiere verwendet, 2015 waren es nur noch 48 Prozent. 

Noch besser sei es Recyclingpapier, sagen die Papierexperten von UBA und föp, sei es, um den Papierverbrauch generell zu begrenzen und Altpapier mehrfach wiederzuverwenden. Das hieße beidseitig bedrucken, Briefrückseiten als Schrott verwenden und mit den eigenen Tragetaschen vor Ort einkaufen. Außerdem ein Aufkleber mit "Werbung - nein danke!" auf dem Briefkasten macht Sinn. 

Auch Evelyn Beauty sieht in diesem Punkt den Gesetzgeber gefordert. „Ich sollte nicht erst mein Postfach schützen müssen. Vielmehr sollte die Regel gelten, dass Werbung nur mit Erlaubnis gepostet werden darf.“

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