Aufstieg und Niedergang: So erging's den Thurgauer Papierfabriken

2022-09-18 01:55:15 By : Mr. Grant Liu

Schon vor mehr als 300 Jahren wurde im Thurgau Papier hergestellt. Papier war während Jahrhunderten begehrt. Ebenso Kartonagen. Zum Teil ist das immer noch so. Trotzdem ist gerade die Geschichte des Thurgauer Papiers auch ein Beispiel für Vergänglichkeit.

Der Brand, die Cyberattacke und der grosse Abschreiber in der einzigen übrig gebliebenen Papierfabrik der Schweiz im luzernischen Perlen können verwirren. Wie unauffällig für Aussenstehende, so dramatisch aber für Eingeweihte muss das Sterben in dieser Branche verlaufen sein.

Die Studie des Schweizerischen Papiermuseums in Basel von 1964 belegt, dass es früher im Land Dutzende Produktionsstandorte gab. Ursprünglich waren es einfache, handwerklich betriebene Papiermühlen. Sie standen an Flüssen und Bächen, deren Wasser dem Verarbeitungsprozess diente und benötigte Energie lieferte. Die Werkstätten wuchsen zu Betrieben und schliesslich zu Fabriken. Simone Mühlemann nennt in ihrem Aufsatz «Ländlicher Buchhandel um 1700» vier der frühen Papiermühlen im Thurgau.

In Eschenz wird schon vor 1684 und nach 1835 Papier hergestellt, auch unter dem Firmennamen Schinz & Gessner von Zürich. In Bottighofen steht vor dem Jahre 1721 und nach 1825 eine Papierwerkstatt. Sie wird unter anderen von Joseph Miché geleitet. Seit 1914 und noch 1964 wird in der »Unteren Mühle» Karton von der Firma Wilhelm Tschuck, hergestellt. In der Degenau an der Sitter entsteht Papier vor 1765. Die Papiermühle wird im 17. Jahrhundert durch die Papiermacherfamilie Steiger von 1682 bis 1694 als «Schupflehen» (nur auf Lebenszeit verliehen), später als Erblehen betrieben. Um 1800 wird sie von einem Lutz gekauft, der sie wieder an Brühlmeier verkauft. Altermatt und Honegger leiten sie später. 1901 wird die Papiermühle stillgelegt.

Eine solche ist schon vor 1835 auch im Städtchen Bischofszell bekannt. In Ermatingen entsteht seit 1881 Karton; 1911 bei Louis Model, Pappenfabrik. Eine Papiermühle steht schon lange an der Lützelmurg, am Grenzflüsschen zum Kanton Zürich. Das schmal gehaltene «Elgger Wochenblatt» meldet 1845 ihren Brand. Später verantworten hier die Papierherstellung die Unternehmer Ziegler und Greuter in Aadorf, Oehninger und Weber in Elgg.

Am Ausgang des Fahrenbachtobels im nahen Elgg, wo der Bach vom Schauenberg her dem Werkstattrad und den Bottichen reichlich Wasser zuführt, hatte bereits in den 1840er-Jahren der Berner Röthlisberger eine Kartonpapierfabrik eingerichtet. Die ereignisreiche Produktionsgeschichte endet, als die «Papieri» zu einer Werkstatt für die Herstellung von Putzfäden mutiert und 1912 in Flammen aufgeht.

Der Wirtschaftshistoriker Georg R. Wyler publizierte die industrielle Produktion im Kanton Thurgau bis zum Jahre 1992. Dass hier die (eigentliche) Papierindustrie im 19. Jahrhundert heimisch wurde und dass zwei Unternehmungen in diesem Bereich 1992 noch tätig sind: Die Model AG in Weinfelden und die Papieri Bischofszell AG. Beide Unternehmen schufen in der schwierigen Zwischenkriegszeit Arbeitsplätze. Die Papierfabrik Laager in Bischofszell konnte den Personalbestand bis gegen Ende der 1920er-Jahre auf etwa 200 erhöhen und seither in dieser Grössenordnung halten. Ihr zur Seite trat die neu aufstrebende Karton-und Kartonagefabrik Model, die von Ermatingen nach Weinfelden verlegt worden war. Schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beschäftigte die Fabrik 70 Mitarbeiter.

In der Periode von 1945 bis 1991 bildete die Papierindustrie einen personalmässig kleinen Industriezweig; ihr Anteil am Total der in der Industrie beschäftigten Personen bewegte sich mit 2,6 Prozent (1944) und 2 Prozent (1988) in einer ähnlichen Grössenordnung wie die Grafische Industrie. In dieser Periode rückte die Papier-und Wellkartonfabrik Model AG zum wichtigsten Betrieb der Branche vor und erlangte als Unternehmen eine über das kantonale Wirtschaftsgebiet hinaus gehende Bedeutung.

Bis in die 1980er-Jahre blieben die Karton- und Papierfabrik Laager in Bischofszell ein wichtiges Unternehmen, während gut vier Jahrzehnten von Viktor Laager (1900-1985) als Einzelfirma geführt. 1984 geriet das Unternehmen aber in finanzielle Schwierigkeiten. Es spezialisierte sich auf die Herstellung von Recycling-Papieren und beschäftigte 1989 noch 50 Personen. Zu Beginn dieser Periode war auch die Stadt Kreuzlingen Standort verschiedener Firmen der Papierwaren- und Kartonageindustrie. Beharrungsvermögen bewies die 1923 in Amriswil entstandene Kartonagefabrik.

Papier war während Jahrhunderten begehrt. Zum Teil ist das immer noch so. Die Nachfrage nach Zeitungspapier nimmt mit schwindenenden Auflagen ab. Die Fortsetzungsgeschichte der Papierherstellung wird fällig.