Vojd Studios: Bei diesem Start-up kommt Luxus aus dem 3-D-Drucker - WELT

2021-12-30 13:55:36 By : Ms. Janice Hem

I n einem Hinterhaus in Berlin Neukölln sitzt das Start-Up Vojd Studios in einer überschaubaren Altbauwohnung im Erdgeschoss. An den Wänden Poster von Kampagnen großer Designer, darauf abgebildet Accessoires aus der eigenen Produktion - Schmuck aus dem 3-D-Drucker. Die beiden Gründer Hristiyana Vucheva und Christian Hartung haben noch weitere Objekte bereitgelegt: Gliederketten und Armbänder, bestehend aus komplexen Strukturen. 2013 kam den beiden die Idee zu Vojd Studios, inzwischen beschäftigen sie 15 Mitarbeiter, verfügen über eine Produktionsstätte in Süddeutschland. Zunehmend rückt das kleine Start-up in das Interesse der Branche, die Aufträge großer Kunden wie LVMH oder Kering häufen sich.

ICONIST: Wie kommt man auf die Idee, ausschließlich Luxus-Accessoires zu drucken?

Christian Hartung: Wir hatten damals Bekannte, die 3-D-Drucker gebaut haben. Das war schon sehr früh, vor ungefähr acht Jahren. Ursprünglich habe ich bei einem Mode-E-Commerce Unternehmen gearbeitet, Hristiyana war in der Modebranche im Bereich High Fashion tätig. Wir haben dann angefangen, uns mit den Möglichkeiten der Technologie für die Luxusgüterbranche zu befassen.

ICONIST: Inzwischen haben Sie für viele große Designer wie Loewe, Alexander McQueen, Carolina Herrera, Prabal Gurung oder Akris Accessoires und Schmuckstücke gefertigt.

Hristiyana Vucheva: Bevor die großen Designer kamen, haben wir erst einmal mit kleineren, unabhängigen Brands zum Teil sehr experimentelle Produkte entwickelt. Mit der Zeit zeigten sich dann auch die größeren Marken interessiert daran, die 3-D-Technologie zu nutzen. Oft geht der Einfluss von den Designern aus - und dann wird es eben auch gemacht. Irgendwann ist das Modelabel Akris auf uns aufmerksam geworden.

ICONIST: Ist es eine Herausforderung, als kleines Unternehmen für so große Marken zu produzieren?

Hartung: Normalerweise schicken uns die Designer der großen Firmen erst einmal Zeichnungen oder Prototypen zu, wie das Produkt am Ende aussehen soll. Die Erwartungshaltung ist dann oft, dass die Produktion schnell geht; verständlich bei acht oder mehr Kollektionen pro Jahr.

Doch wir entwickeln zum Teil technische Elemente, die am Ende nicht nur gut aussehen, sondern auch funktionieren müssen. Also schätzen wir immer erst einmal ab, ob die Produktion überhaupt möglich ist. Man muss oft erstmal die Erwartungen managen, weil manche Produkte, insbesondere technische, eben einfach länger entwickelt werden müssen. Viele Schritte sind für die Kunden gar nicht sichtbar: Wir entwickeln die Materialien, passen sie dem Produkt an, indem wir beispielsweise Keramik mit Kunststoff mischen. Bei nicht standardisierten Prozessen ist es wichtig, dass wir den Fertigungsprozess kontrollieren und optimieren können. Und dass wir ihn individuell auf den Kunden zuschneiden können.

ICONIST: Woher kommt das Unwissen in der Branche? Ganz neu ist die Technologie des 3-D-Drucks ja nicht.

Hartung: Im Verbraucherbewusstsein ist der 3-D-Druck erst seit etwa fünf Jahren - damals gab es auch einen Hype in den Medien, ähnlich wie mit Bitcoin jetzt gerade. Doch die Qualität war damals noch sehr enttäuschend, vor allem bei den Druckern, die man im gewöhnlichen Elektrofachhandel kaufen konnte. Das Material war leicht zerbrechlich und in der Herstellung haben sich sehr stark sichtbare Schichten ergeben. Inzwischen hat sich die Technologie durchaus weiterentwickelt, insbesondere bei den industriellen, großen Maschinen – in denen auch unsere in hoher Auflösung hergestellt werden.

ICONIST: Worin liegen die Vorteile zur gewöhnlichen Produktion?

Vucheva: 3-D-Druck hat zwei klare Vorteile. Zum einen ist das der ästhetische: Man kann Designs und Formen entwickeln, die mit anderen Prozessen nicht möglich sind – oder um einiges aufwendiger und somit auch kostenintensiver. Bei herkömmlichen Produktionsprozessen müsste man entweder komplett manuell arbeiten oder nachträglich noch mehrere Teile miteinander verbinden oder zusammenfügen. Beim 3-D-Druck kommen die Produkte in einem Stück gefertigt aus der Maschine. Somit sind auch keine Schweißnähte oder Kleberänder sichtbar, was die Produkte nicht nur ansehnlicher, sondern auch stabiler macht. Für diesen Regenschirmgriff für Alexander McQueen beispielsweise haben wir erst einen 3-D-Scan von einer Hand entworfen und den Griff anschließend gedruckt. Normalerweise hätte man dafür eine Gussform anfertigen müssen.

ICONIST: Und trotzdem handelt es sich am Ende um ein beinahe individuelles Produkt?

Vucheva: Genau, und da wären wir schon beim zweiten Vorteil, dem pragmatisch-praktischen: der Kosteneffizienz. Weil wir keine Gussform brauchen, fallen auch die Kosten dafür weg. Es lohnt sich also auch kleinere Mengen zu produzieren, für Capsule Collections oder bei personalisierten Produkten. Zudem kann man das Design mehrmals im Nachhinein abändern oder weiterentwickeln. Ein weiterer Vorteil ist, dass bestimmte Materialien oder Materialmischungen, die wir konzipieren, besonders abriebfest sind und daher gerne als Alternative zu lackiertem Metall genutzt werden. Durch den 3-D-Druck sitzt die Färbung tief im Material, zerkratzt die Oberfläche, behält sie trotzdem ihre Farbe.

ICONIST: Das klingt nach einem zukunftsträchtigen Geschäft in vielen Bereichen. Planen Sie, sich in Zukunft auch auf andere Segmente zu spezialisieren?

Hartung: Als junges Unternehmen verfügt man am Anfang natürlich nur über begrenzte Ressourcen, also haben wir uns auf den Bereich der Luxusgüter fokussiert, um dort erst einmal Fuß zu fassen. Außerdem ist der Markt für uns ziemlich lukrativ. Es gibt einfach sehr viele Anwendungsmöglichkeiten, die sich anbieten - von Schmuck über Sonnenbrillen bis hin zu Zusatzteilen beispielsweise für Handtaschen. Gerade hier ist ein signifikanter Anteil eben auch Hardware. Trotzdem ist die Herstellung per 3-D-Drucker momentan noch verhältnismäßig teuer. Aber das ist nur eine Frage der Zeit, je innovativer die Technologien, desto geringer die Kosten, desto größer der Absatzmarkt.

ICONIST: Und wie geht es weiter mit Vojd, wenn sich irgendwann jeder einen Drucker in den Laden stellen kann und sich der Kunde sein Produkt ganz nach Belieben und Geschmack ausdrucken kann?

Hartung: Bis dahin wird es wohl noch eine Weile dauern. Vor allem der Faktor Geschwindigkeit ist momentan noch relevant. Für eine Produktion von 40-50 Objekten brauchen unsere leistungsstarken, großen Maschinen schon mal anderthalb Tage. Langfristig sehen wir uns in dem Bereich der Produktentwicklung und alles was damit zu tun hat: Verbessern der Software, Materialkunde und vieles mehr. Auch die Beratung und Unterstützung von anderen Fertigern wäre eine Option.

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