Neue Vorschrift: Keine Getränkedosen mehr in Bundesbehörden - WELT

2021-12-30 13:55:23 By : Ms. Alma Ding

S ämtliche Bundesbehörden in Deutschland dürfen künftig keine Getränkedosen und Einweg-Plastikflaschen mehr einkaufen. Das besagt die sogenannte AVV Klima, die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen, die das Bundeskabinett jüngst beschlossen hat.

„Ziel der Bundesregierung ist eine klimaneutrale Bundesverwaltung bis zum Jahr 2030“, heißt es in einer Erklärung. Die neue Verordnung schreibt dafür Vergabeverfahren vor, die „Aspekte des Klimaschutzes“ berücksichtigen, darunter auch die „über den gesamten Lebenszyklus ausgestoßene Menge Treibhausgas“.

Zur Anleitung und leichteren Orientierung in den Vergabeverfahren umfasst Anlage 1 der 24-seitigen AVV Klima eine Negativliste mit denjenigen Leistungen, die künftig nicht mehr beschafft werden dürfen.

Aufgeführt sind dort Mineralwasser, Bier, Säfte, Milch und Erfrischungsgetränke in Getränkedosen und Einweg-Plastikflaschen. Aber auch Maschinen und Geräte, die bestimmte Abgasstufen nicht einhalten, dazu Heizpilze und Klimageräte für den Außeneinsatz, Spraydosen mit halogenierten Treibmitteln, Einweggeschirr und Einwegbesteck, sowie Wasch- und Reinigungsmittel mit Mikroplastik sowie Produkte, deren Transportverpackungen aus Karton nicht mindestens 85 Prozent Recyclingmaterial enthalten.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bejubelt diesen Beschluss. Das Verbot komme zwar um Jahre zu spät, sagt die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Gleichwohl sei es ein wichtiges Signal an alle anderen Behörden von Ländern und Kommunen. „Sie müssen jetzt unverzüglich nachziehen.“

Die DUH kämpfe dafür schon sehr lange. Metz verweist dabei unter anderem auf formale Anträge bei 130 Städten und Kommunen in den vergangenen Monaten. Aktion „Plastikfreie Städte“ nennt die Organisation ihre Initiative, im Zuge dessen von den jeweiligen Verwaltungen „Maßnahmen zur Lösung der Einweg-Müllkrise“ und ein „Wandel zu einer abfallärmeren Gesellschaft“ eingefordert werden.

Da geht es dann unter anderem um kommunale Verbrauchssteuern für To-Go-Einweg-Verpackungen, um die Förderung von Mehrwegsystemen oder eben veränderte Beschaffungsregeln.

Das Verbot von Dosen und Einweg-Plastikflaschen reicht der Umwelthilfe dabei längst nicht aus. Das Lob für die AVV Klima verbindet Geschäftsführerin Metz daher mit einer weiteren Forderung: „Eines müssen alle Ämter noch besser machen als die Bundesvorschrift: Sie müssen: Sie müssen auch Gertränkekartons verbannen.“ Diese Verbundverpackung sei schwer zu recyceln, habe einen hohen Plastikanteil und lande häufig in der Umwelt. „Sie gehört deshalb dringend ebenfalls auf die Verbotsliste.“

Die betroffenen Hersteller zeigen sich empört. „Die Forderung der Deutschen Umwelthilfe, das Verbot von Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen auf Getränkekartons auszuweiten, ist ein erneuter Beleg dafür, dass sich die DUH hartnäckig weigert, wissenschaftliche Fakten zur Kenntnis zu nehmen“, schimpft Michael Kleene, der Geschäftsführer des Fachverbands Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel (FKN).

Der Getränkekarton sei weder umwelt- noch klimaschädlich. „Das belegen alle Ökobilanzen der letzten 20 Jahre, ganz aktuell auch eine Studie des Ifeu-Instituts, die vom Umweltbundesamt wissenschaftlich begleitet und geprüft wurde.“ Und auch das Bundesumweltministerium erkenne den Getränkekarton seit dem Jahr 2000 als ökologisch vorteilhafte Getränkeverpackung an.

Und tatsächlich macht die AVV Klima, die Nachfolgerin der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Leistungen, kurz AVV EnEff, explizit Ausnahmen für Kartonverpackungen, Schlauchbeutelverpackungen und Folien-Standbeutel.

Dass nicht auch Dosen auf der Ausnahmen-Liste stehen, sorgt bei Stephan Rösgen für Unverständnis. „Aufgrund ihres permanenten Materials sind Getränkedosen das Paradebeispiel für ein funktionierendes Kreislaufprodukt“, sagt der Geschäftsführer des Forums Getränkedose.

Mit einer Recyclingrate von 99,3 Prozent und einer Litteringrate von lediglich 0,03 Prozent sei die Dose inzwischen sogar umweltfreundlicher als viele individuelle Mehrwegflaschen, sagt Rösgen und geißelt damit Flaschen mit eingeprägtem Markennamen im Glas, die deswegen nur von einer Brauerei, einem Mineralwasserproduzenten oder einem Limonadenanbieter genutzt und dementsprechend nicht regional weiterverwendet werden können, sondern stets quer durch die Republik zu ihrem Abfüllort zurückgebracht werden müssen.

Die Zahl dieser Individualflaschen im Mehrwegsystem ist riesig. Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) beziffert den Anteil in einer Studie auf fast 50 Prozent. Die Politik will nun beide Systeme auf ihre Umweltverträglichkeit und CO2-Fußabdrücke hin untersuchen, also sowohl die Mehrweg- als auch die Einwegverpackungen für Getränke.

„Kreislaufwirtschaft: Ökobilanz von Getränkeverpackungen“ heißt der entsprechende Haushaltstitel. Und es ist längst nicht sicher, wer am Ende vorne liegt. Der Bund Getränkeverpackungen der Zukunft (BGVZ) jedenfalls, hinter dem sich die Einweglobby in Deutschland versammelt, verweist auf Statistiken, nach denen 98,5 Prozent der Dosen und PET-Flaschen aufgrund des Pflichtpfandes wieder eingesammelt und recycelt werden. Und sei es bei PET als Industrieprodukt oder Textil.

Dass die AVV Klima schon vorher bestimmte Verpackungsarten aus dem Beschaffungssystem der Bundesbehörden verbannt, sehen Kritiker als Stigmatisierung. Dosen-Verfechter Rösgen wunder sich aber nicht. „Es gibt kein anderes Land in Europa, das im Bereich der Getränkeverpackungen so ideologisch geprägt ist wie Deutschland“, sagt der Verbandsvertreter gegenüber WELT. „Das zeigt sich leider auch wieder an diesem Last-Minute-Beschluss des scheidenden Kabinetts. Was im Sinne des Klimas vielleicht gut gemeint war, wird der Umwelt nicht helfen.“

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